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Dieses Thema hat 19 Antworten
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Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

17.02.2022 18:26
Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Liebe Modellbaufreunde,

heute habe ich mal etwas zur Jagsttalbahn.
Für mich ist das so ungefähr ein „Sehnsuchtsort“. Seit vielen Jahren habe ich diese Bahn immer wieder mit dem Motorrad besucht und den Verfall oder vielleicht auch den „Dornröschenschlaf“ zu erleben. Viele Gespräche hatte ich mit den Aktiven, auch mit Jörg Woker, seiner Zeit dem „Macher“, aber nie gab es eine Perspektive für die lang ersehnte Wiederaufnahme des Museumsbahnbetriebs.
Jetzt, so scheint es, erkennt man ein kleines Lichtlein am Ende des langen finsteren Tunnels. Die Betriebsgenehmigung ist erteilt wie man hört. Es gibt sicher noch zahlreiche, hoffentlich kleinere Hürden, aber vielleicht rollen die Räder bald wieder über die Schienen im Jagsttal, wenn auch in kleinerem Umfang. Es fehlt schlicht an Strecke! Der Verein hat sich deshalb etwas einfallen lassen und bietet Gleisbausteine an. Ich kann nur empfehlen „Leute – kauft Gleisbausteine“. Jeder Baustein hilft und unterstützt als Spende die Finanzierung des Streckenbaus. Ich hab’s auch gemacht.
So, nun aber zum Modellbau. Der VT 300 spukt mir schon lange im Kopf herum. Ich habe schon vor vielen Jahren Bilder des Triebwagens im Bieringer Schuppen gemacht, als der eines Tags im Sommer aus dem Schuppen gefahren wurde. Es hat jetzt viele Jahre gedauert bis ich mich tatsächlich entschlossen habe den Triebwagen im Modell zu bauen. Auslöser war zum einen der Bericht von Armin Hagen Berberich zum Plettenberg-Triebwagen von Axel Hartig und mein Vater hatte auch ein solches Modell. Also gesucht und gefunden. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Der Triebwagen war weder antriebstechnisch noch maßlich in irgend einer Weise zu gebrauchen. Peter Herrmann hatte auch ein Modell von Hartig, deshalb gingen die Überlegungen gemeinsam dahin Teile des Antriebs zu verwenden, aber die Drehgestellblöcke aus Messing selbst zu machen und mit den Zahnrädern und Radsätzen zu vervollständigen. Peter kann auf der Maschine gut und präzise fräsen. Was dann folgte war die Geburt des VT’s in Rhino 3D-CAD einschließlich des VB 403, VB 400 und VB 401.
Ich möchte nachfolgend die Entstehung der Triebwagen schildern.

Vorbilder:
Der VT 300 und der VB 403, ehemals der VT 301, wurden bei der Waggon Fabrik Wismar AG ursprünglich für die Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) im Jahr 1941 (VT 300) und 1938 (VT 301) gebaut und geliefert. Hinzu kommt noch als Dritter im Bunde der VT 302. Die Beiwagen Nr. 400 und 401 wurden von der RSE gebaut und 1938 geliefert.
Die Geschichte des VT 300, bzw. des ehemaligen T5, war durchsetzt mit vielen Motordefekten, einem Treibachsbruch und einem Motortausch bis der Triebwagenbetrieb auf der RSE 1956 eingestellt wurde. Nach dem Verkauf im Jahr 1958 an die DEBG wurde der Triebwagen im Bw Bodenwerder-Linse auf 750 mm umgespurt, die Sitzbänke teilweise ausgebaut und eine Schiebetüre für den Stückgutverkehr eingebaut. Im Januar 1959 wurde der Triebwagen schließlich in Möckmühl angeliefert. Der VT 301 und VT 302 folgten im Jahr 10/1959 bzw. 7/1961. Die Beiwagen folgten im Jahr 1960.
Die Triebwagen sollten den täglichen Verkehr übernehmen, da die Dampflokomotive Nr.152 außerhalb der Zuckerrübenkampagne zu groß und zu unwirtschaftlich war und die Dampflok Nr. 24 aufgrund ihrer weit überhängenden Massen bei den Lokführern unbeliebt war.
Fortan übernahmen die Triebwagen und Anhänger den wechselvollen Betrieb auf der Jagsttalbahn bis zur Betriebseinstellung Ende 1988 aufgrund der schlechten Gleislage und der resultierenden Unfallgefahr.
Bilder zu Vorbild















Die Konstruktion:
Alle Triebwagen wurden in Rhino 3D-CAD konstruiert, einschließlich der Fahrwerke, der Bremseinrichtungen, der Motorisierung, Aggregate, Drehgestelle, der Inneneinrichtungen wie Führerstände, Sitzbänke, Trennwände usw. Aus der Konstruktion wurden dann nach Fertigungsweg die jeweiligen Komponenten abgeleitet und herausgelöst um die Daten für die spezifischen Fertigungsverfahren aufzubereiten, die da sind:
- Koordinaten zum Fräsen der Drehgestell-Antriebsblöcke
- STL-Dateien für die Herstellung von 3D-Prints bei zwei unterschiedlichen Herstellern für Kleinteile bzw. der Triebwagengehäuse
- STL-Dateien für den Druck von Kleinteilen im Innenraum auf dem eigenen 3D-Drucker
- CAD-Dateien für die Herstellung von Wachs-Prints für das Messingschleudergußverfahren
- CorelDRAW-Dateien zum Druck von Decals, bzw. zur Herstellung von Abreibebeschriftungen

Im folgenden Teil möchte ich auf die einzelnen Arbeitsschritte eingehen. Aufgrund der vielen Schritte möchte ich den Beitrag splitten. Zunächst also die Konstruktion. Nachstehend einige Bilder zur Konstruktion, danach geht’s Schritt für Schritt weiter.













Thomas Spieth

Angefügte Bilder:
VB400_2.jpg  

lokonaut Offline



Beiträge: 208

17.02.2022 19:39
#2 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Thomas,

ein simples "Bedanken drücken" ist mir bei deinem Beitrag jetzt doch ein bisschen wenig, daher vorab schon mal "Hut ab" und Dankeschön für die Präsentation!
Ich hatte ja in anderem Zusammenhang schon mal erwähnt, dass ich auch an dem Fahrzeugtyp dran bin - allerdings die Variante Steinhelle Medebach (und parallel dazu den RSE-Ameisenbär). Und bei weitem nicht so in die Tiefe gehend wie dein Ansatz, das ist schon eine ganz andere Farbe auf der Palette, die du uns da zeigst.
Die Unterschiede zwischen den Wismaren sind bei gleicher Grundkonstruktion teilweise schon erheblich, die Umbauten und Anpassungen im Lebenslauf kommen noch obendrauf. Im Prinzip alles Unikate, die nur auf den ersten Blick fast gleich aussehen. Bin wirklich begeistert davon, wie konsequent du das umsetzt.
Falls du bei Gelegenheit mal nachschauen könntest: Ich meine mich dunkel erinnern zu können, dass die Trittstufen bei engen Radien mit den Drehgestellen nicht mehr wirklich harmonieren. Hat mich bei der Konstruktion gewundert, weil Steinhelle-Medebach angeblich 27m-Radien verbaut hat. Das Lichte Maß zwischen den Trittstufen wäre hilfreich für mich. Stichwort hilfreich: Endlich mal ein Foto vom einem Führerstand!

Viele Grüße aus Südhessen

Alexander


dejot Offline




Beiträge: 120

17.02.2022 21:24
#3 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Thomas,

hier muss ich meine Begeisterung für Deinen Beitrag ausdrücken!
Ich mag solche kleinen Triebwagen, von daher finde ich schon Deine historischen Bilder super. Den Einblick, den Du in Deine wahnsinnig detaillierten 3D-Konstruktionen gewährst macht Lust darauf, selbst in die Welt des 3D-Drucks einzusteigen. Es ist toll, was da möglich ist, gerade für jemandem wie mich, der es mit dem Feintuning beim Eigenbau nicht so hat. Ich freue mich auf die nächsten Fortschritte in Deinem Projekt.

Viele Grüße (auch aus Südhessen)

Daniel


Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

18.02.2022 14:19
#4 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Alexander,
ja das mit den Trittstufen ist so eine Sache. Grundsätzlich, das muß ich mit dazu erwähnen, bin ich mehr vorbildorientiert wie Modellbahner im spielerischen Sinn, wobei ich das nicht "abwertend" verstanden haben möchte. Ich habe das mit Peter diskutiert und wir haben uns auf einen Radius geeinigt, der gerade noch so befahren werden kann. Der liegt so weit ich das noch im Kopf habe so um die 700-800 mm. Wer es gerne "enger" haben möchte könnte einen Ausschnitt in die hintere "Blechwand" der Tritte schneiden, so dass das Drehgestell (Achslager) dort noch etwas mehr Luft hat.

Gruß Thomas


Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

19.02.2022 13:54
#5 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Liebe Modellbaufreunde,

heute möchte ich etwas über die Herstellung der 3D-Druckteile erzählen.
Grundsätzlich – Das Modell wurde mit 3D-Drucken dreier Hersteller hergestellt. Anfangs hatte ich relativ wenig Erfahrung, also ging ich den Weg vieler Eisenbahnbastler und beschäftigte mich mit den Möglichkeiten, die Shapeways anbietet. Nach langem hin und her entschloss ich mich einen Luftballon steigen zu lassen und die Qualität von Shapeways auszuloten. Dazu verwendete ich einerseits das Gehäuse und das Dachteil vom VT 300 und die Teile der Unterbodengruppe, also Kleinteile. Erstaunt war ich über die relativ kurze Lieferzeit von 14 Tagen und die „saftigen“ Preise für das einzige in Frage kommende Material „Fine Detail Plastic“. Also Modelle hochladen, Material auswählen und ab in den Warenkorb. Zunächst ist das alles problemlos, wenn die Konstruktion solide ist. Überraschungen kommen dann schon am Tag drauf, wenn die Mitarbeiter der Fertigungsplanung die Konstruktion auf Schwachstellen durchleuchten und ihre Anforderungen weitergeben. In der Regel sind das Materialmindeststärken. Das kann u. U. wie ein Ping Pong Spiel hin und her gehen und man braucht starke Nerven. Schließlich hat es doch geklappt und es kam ein sehr gut verpacktes Sortiment an Teilen zurück. Die Ernüchterung folgte schnell. Das Gehäuse war milchig trüb, maßhaltig, aber die Oberfläche war leider ziemlich bescheiden. Durch den Algorithmus beim Aufbau der STL-Datei entsteht so eine Art „Käfig“ aus Polygonen, besser eine "Polygonnetzstruktur". Diese Struktur bildet sich beim Härten der Layer-Schichten während des Drucks im Kunststoff ab. Hinzu kommt erschwerend das Stützgerüst, welches für dieses Verfahren verwendet wird. Nachdem der Druck aus der Maschine kommt wird das Material des Stützgerüsts mit einem Hochdruckstrahl entfernt, aber es bleibt eine zum Teil sichtbare und fühlbare Rauheit, die man beim Lackieren sieht. Das bedeutet, dass dieses Verfahren für Gehäuseteile mit großen, glatten Flächen für mich ausscheidet. Ich habe damit Kleinteile am Unterboden und die Pufferbohlen herstellen lassen, da konnte ich die Struktur gerade noch so akzeptieren. Aus heutiger Sicht würde ich wahrscheinlich einen anderen Weg gehen.
So nun ist Ende der Schulstunde. Nachstehend gibt es wie immer ein paar Eindrücke dazu, dieses mal am Beispiel des Drehgestells.

Thomas Spieth

Konstruktionsdatei

STL-Dateien



STL-Datei im Ansichtsmodus

Die Schwachstellenprüfung

Das Ergebnis


Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

20.02.2022 19:02
#6 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Liebe Modellbaufreunde,

heute geht es um die Themen:
- Fräsen der Bodenplatte und der Getriebeblöcke
- Motor und Kardan
- Druckversuche eines VT 300 Gehäuses am Anycubic Mono X
- Gehäusedruck beim professionellen 3D-Druckservice
- Druck von Kleinteilen auf dem Anycubic Photon S

Fräsen der Bodenplatte und der Getriebeblöcke
Die Bodenplatte wollten wir aus Stabilitäts- und Gewichtsgründen aus Messing herstellen. Mein Modellbaufreund Peter Herrmann hat eine Fräsmaschine mit der erforderlichen Präzision. Die Bodenplatte ist horizontal geteilt was mehrere Gründe hatte. Zum einen die Materialverfügbarkeit. Zum anderen die Möglichkeit die obenliegende Platte zu verwenden, um die Inneneinrichting darauf zu befestigen. Die Platten sind aus jeweils 1 mm starkem Messing.
Für die Programmierung benötigt Peter die Koordinaten aus meinem Konstruktionsprogramm. Eine direkte Datenkonvertierung über ein Exportformat aus dem Rhino war leider nicht möglich, so dass ich die Bodenplatte mit Koordinaten an den wesentlichen Stellen versehen habe, die Peter weiterverwendet hat. Die Platten haben dann mit kleinen Abweichungen gepasst und ließen sich gut einlegen. In der Bodenplatte waren gleich alle erforderlichen Bohrungen vorhanden, die für das Einstecken der Bauteile auf dem Unterboden benötigt wurden. Dasselbe Spiel haben wir dann für die Getriebeblöcke wiederholt. Die Zahnräder und die Schneckenwelle haben wir von dem ursprünglich verwendeten Industriefahrwerk weiterverwendet. Also Gewinde geschnitten, alles zusammengeschraubt, geölt und siehe da es hat funktioniert. Die Radsätze haben wir übrigens zerlegt, neue Achsen angefertigt und wieder zusammengefügt. Das 3D-Druckteil des Shapeways-Drehgestells hat perfekt gepasst musste nur noch mit 4 Schrauben am Getriebekern befestigt werden. Das Drehgestell selbst wird mit einer drehbaren Wippe am Unterboden befestigt, so dass es einerseits kippen kann und der seitliche Ausschlag möglich ist so weit es der Kardan zulässt.

Motor, Motorbefestigung und Kardan
Der Motor ein Faulhaber 1524 mit zwei Wellenenden sitzt in einem Ausschnitt der Bodenplatte und schaut ca. 1/3 nach oben über die Bodenplatte heraus. Unter dem Ausschnitt ist ein gedrucktes Imitat des Originalmotors, der von oben betrachtet eine halbrunde Mulde hat, in welche der Faulhaber eingeklebt wird. Auf diese Weise wird der Motor gut getarnt. Die Wellenenden werden mit den Kardankörben bestückt. Die Original-Kardanwellen mussten in der Länge leicht angepasst werden. Der Probelauf nach dem Zusammenbau verlief gut. Einziges Manko dieser Lösung ist, dass der Triebwagen lediglich durch zwei Achsen angetrieben wird. Der spätere Probelauf mit dem gesamten Gewicht bestätigte unsere anfänglichen Befürchtungen. Ein Betrieb des Fahrzeugs ohne Anhänger, oder mit einem Anhänger ist noch möglich, aber der gesamte typische Jagsttal-Triebwagenzug mit allen drei Anhängern ist mit zwei angetriebenen Achsen in einer Steigung oder über Weichen überfordert. Die Motorleistung ist ausreichend, aber das Fahrzeug tendiert zum schleudern. Grundsätzlich hätten wir auf unser Bauchgefühl reagieren und das Getriebe schon bei der ersten Überlegung neu konstruieren sollen! Man lernt eben dazu .

Druckversuche eines VT 300 Gehäuses am Anycubic Mono X
Während der Planung haben wir uns mit Uwe Stehr ausgetauscht. Er hat einen sehr großen Erfahrungsschatz im 3D-Druck. Nachlesen kann man das auch in der MIBA Broschüre „Modellbahn-Praxis“ mit dem Titel „3D-Druck für Modellbahner“ verfasst von Uwe Stehr https://shop.vgbahn.info/media/pdf/Blick...be/15087459.pdf. Uwe hat uns freundlicher Weise einen Test-Print auf dem damals noch nagelneuen Anycubic Mono X gedruckt. Das Gehäuse des VT 300 passt gerade so in den Bauraum hinein. Der Test-Print hat glaube ich über 40 Stunden gebraucht. Herausgekommen ist ein auf den ersten Blick sehr passables Gehäuseteil, jedoch kann man bei dieser Größe auch erkennen, dass das Modell dazu neigt sich zu verziehen. Das hätte auf jeden Fall eine Änderung, sprich Aufdickung der Wandteile erforderlich gemacht. Da die Änderung der Konstruktion viel Zeit in Anspruch nimmt habe ich diesem Weg verworfen.

Gehäusedruck beim professionellen 3D-Druckservice
Eine weitere Möglichkeit ergab sich mit einem professionellen 3D-Druckservice. Die Teile habe ich bei Andreas Ristau von der Modellbauwerkstatt Altenweddingen http://www.mw-altenweddingen.de/index.html bezogen. Er hat eine gute Quelle für professionellen 3D-Druck. Das verwendete weisse Material hat eine sehr schöne glatte Oberfläche, jedoch sind feine Details wie z. B. Nietköpfe nicht möglich unter einer Stärke von ungefähr 0,5 mm. Dafür lassen sich unglaublich komplexe dreidimensionale Strukturen wie z.B. auf bestückten Fahrwerke abbilden, wenn Mindestabmessungen für Materialstärken freistehender Details oder hervorstehender Details eingehalten werden. In unserem Fall haben wir Gehäuse ohne Dachteil, Dächer und Zwischenwände drucken lassen. Die Drucke in China brauchen einige Wochen Zeit, der Transportweg ist per Luftfracht entsprechend teuer, dafür der Druck günstig. Die Verpackung war sehr gut. Die Druckteile passen sehr gut ineinander. Leichte Verzüge können mit dem Fön gerichtet werden. Einziger Nachteil dieses Harzes ist der sehr niedrige Erweichungspunkt, der zwischen 70-80° C liegt. Man sollte die Modelle im Sommer nicht zu lange in der prallen Sonne stehen lassen, oder einige tausend Watt Fotolampen auf das Modell richten. Sonst gibt es zur Bearbeitbarkeit und Lackierbarkeit keine Kritik.

Druck von Kleinteilen auf dem Anycubic Photon S
Schon vor einiger Zeit habe ich mir den Photon S sowie die Wash & Cure Station zugelegt.
Die Maschine habe ich mir hauptsächlich für Kleinteile zugelegt. Anfangs war es nicht ganz einfach. Der Drucker hat mit mir einfach gemacht was er will. Das erste Druckteil war ein kaputtes Aufstellfüßchen für die Tastatur eines PC’s und ich war ganz stolz, dass es funktioniert hat. Mit der Zeit habe ich dann den Bogen raus bekommen. Die letzte Erkenntnis war als Optimum das graue Standardharz von Elegoo zu verwenden. Das ist bei kleinsten Details in der Auflösung nicht supergenau, aber es ist auch nicht so spröde, wie andere Harze, die ich probiert hatte, also ein guter Kompromiss.
Gedruckt habe ich relativ filigrane Teile des Führerstands, den Führerstand und Sitze in jeder erdenklichen Form. Verwendet habe ich hier auch unterschiedliche Harze, wie ich sie noch hatte. Gedruckt habe ich auch ultrafeine Scheibenwischer mit einer Schichtstärke von 0,01 mm – es geht alles!
Ein größeres Thema ist das benötigte Lösemittel für die Reinigung der Teile und der Arbeitsgerätschaften. Schnell habe ich mir angewöhnt eine Arbeitsplatzordnung und einen Arbeitsablauf zu haben, um die „Sauerei“ mit Lösemittel und Harz zu minimieren. Grundsätzlich gilt immer Handschuhe an und Fenster auf. Zwischen meinen Maschinen liegt Zeitungspapier, darauf Zewa (Sauberkeit ist geboten). Es wird so wenig wie möglich Harz für den Print in den Vorratsbehälter gegeben. Nach beendetem Druck gut abtropfen. Gebrauchtes Restharz kommt durch den Feinfilter zurück in die Flasche. Dann die Bauplattform herausnehmen und im Wash & Cure mit reinem Alkohol und mehreren Waschzyklen reinigen. Danach löse ich die Teile mit der Kunststoffspachtel und es folgt ein weiterer Reinigungszyklus im Korb. Anschließend werden die Teile mit der Druckluftpistole (Airbrush reicht) abgeblasen. Ich habe mir angewöhnt die Teile am Sonnenlicht nachzuhärten. Ich bilde mir ein, dass der Verzug und die Sprödigkeit nicht so stark ist. Der nach vielen Reinigungszyklen mit Harz gesättigte Alkohol kann entweder bei der Schadstoffsammlung abgegeben werden, oder ein anderer Weg ist die Waschlösung durch Verdunstung in den festen Zustand zu bringen. Zewa, welches mit Harz kontaminiert ist härte ich an der Wash & Cure bevor ich es wegwerfe. Bei sauberer Arbeitsweise ist das aber nur sehr wenig.

So weit für heute, wie immer gibt es ein paar Bilder im Anschluss. Weiter geht es noch mit dem Thema Messingteile, Zusammenbau, Lackierung usw.
Thomas Spieth

Fräsen der Bodenplatte und der Getriebeblöcke

Beispiel für X-Koordinaten


STEP- Export Format (Versuch)






Motor, Motorbefestigung und Kardan
Der Motor liegt in der Mitte unter dem Motordruckteil


Druckversuche eines VT 300 Gehäuses am Anycubic Mono X




Gehäusedruck beim professionellen 3D-Druckservice

Beispiel für Polygonnetzstrukturen










Druck von Kleinteilen auf dem Anycubic Photon S






Hespertalbahn Offline




Beiträge: 212

20.02.2022 19:20
#7 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Thomas,
vielen Dank für die ausführliche Beschreibung.
Sehr beeindruckend !

Viele Grüße
Dirk


Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

22.02.2022 16:47
#8 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Messinggussteile
Aus Stabilitätsgründen und der Detailgenauigkeit habe ich entschieden diverse Anbauteile wie z.B. Griffstangen, Türklinken, Bremsschläuche, Mittelpuffer, Zughaken, Ösen, Ketten und Teile der Bremsluftleitung, Ventile, Glocke usw. als Messinggussteil fertigen zu lassen. Meine gesamten Gussteile lasse ich traditionell in Pforzheim herstellen. Seit einiger Zeit ist bei mir der klassische Urmodellbau in meiner feinmechanischen Werkstatt passé. Neue Teile werden am 3D-CAD gezeichnet. Die Datei bekommt der Hersteller zur Weiterverarbeitung. Aus der CAD-Datei wird zunächst ein hochgenauer Wachs-Plott hergestellt. Der Plott wird dazu verwendet, um eine Silikonform herzustellen, die dann dazu verwendet wird, um ebenfalls Wachslinge zu „Spritzen“, die dann Stück für Stück an einen „Baum“ geklebt werden. Dieser Baum wird in eine Gipsmasse eingebettet. Nach deren Trocknung wird das flüssige Messing in einer Schleuderanlage in die Form gegossen. Nach der Erkaltung und Entfernung der Gipsmasse mit einem Wasser-Hochdruckstrahl bleiben die Messinggussteile am Baum als Ergebnis bestehen.

Elektronik/Decoder
Für das Modell habe ich den HO-Loksound-Decoder 5 micro neuester Generation verwendet. Die Motorstromleistung liegt bei 0,75 A und müsste für den Triebwagenzug ausreichen. Die Lampen sind mit warmweissen LED’s der Spezifikation 0603 mit Lackdraht und einem Vorwiderstand von 6 kOhm ausgewählt. Der Lautsprecher ist der Standard „Zuckerwürfel“ des Loksound.
Der Decoder ist zwischen dem Batteriekasten und dem Motordruckteil stehend eingefügt. Er passt gut in diese Lücke. Die Litzen sind passend abgelängt und verlötet. Der Lautsprecher ist unter den Hohlraum der Luftbehälter passend eingefügt. Die Strohmabnehmer an den Drehgestellen sind aus Bronceblech mit der Abmessung 1 x 0,2 mm geschnitten und vertikal an den kupferkaschierten Pertinax-Abdeckplatten angelötet. Die Kabel der Strohmabnahme sind mit Platinensteckern versehen, die am Unterboden enden, um eine spätere Demontage zu ermöglichen.
Die Strohmzuführung zu den Lampen ist ebenfalls mit Platinensteckern an der Bodenplatte zum Gehäuse angeklebt und bildet hier die Trennstelle. Der Stecker verbirgt sich unter den Sitzbänken an der Zu-/Abluftführung. Die Vorwiderstände sitzen hinter der Kulisse des Führerstands. Von dort verlaufen die Lackdrähte zu den Lampen. Beim Spitzlicht verläuft der Lackdraht neben dem Frontfenster nach oben. Um das Dach abnehmen zu können muss das Spitzlicht am Dach ausgesteckt werden. Die Lampen sind mit transparentem Harz ausgegossen und mit einer UV-Quelle gehärtet.
Der Motor ist mit den Faulhaber CV-Settings eingestellt. Die Höchstgeschwindigkeit ist reduziert, ebenfalls die Helligkeit der Lampen und der Motorsound. Alle anderen Settings passen ganz gut.

Lackierung
Sämtliche Bauteile sowie das Gehäuse und die bestückte Bodengruppe wurde in reinem Alkohol durch eintauchen gründlich gereinigt. Eine Ausnahme bildete die Bodengruppe, da hier der Decoder fest verbaut ist. Die Bodengruppe wurde mit dem Pinsel gereinigt. Das Kunststoffgehäuse und andere 3D-Druckteile verblieben mindestens 10 min im Alkohol um die Oberfläche zu säubern, so dass eine Lackierung ohne Probleme möglich war.
Lackiert wurden die Modelle mit Farben von Weinert, Elita, Details mit Revell und Humbrol. Die Vorgehensweise habe ich bereits in meinem Beitrag „99 4602 eine Lokomotive der RüKB“ 99 4602 eine Lokomotive der RüKB - Teil 2
Hervorheben möchte ich jedoch noch die Lampen. Diese wurden mit metallisch glänzender Farbe von Mr. Hobby ausgelegt und nach dem Einkleben der LED’s mit transparentem Harz ausgegossen.

Zusammenbau
Der Boden des Triebwagens wurde mit einer selbstklebenden Schicht aus hauchdünnem Furnier beklebt, welches ich zufällig noch hatte. Darauf wurden die Bodendielen angezeichnet. Der geringfügig herausschauende Motor wurde ebenfalls beklebt.
Anschließend erfolgte der Zuschnitt der Fensterverglasung aus Polyesterfolie, welche ich noch aus der Zeit in der Druckerei hatte. Die Folie hat ungefähr eine Stärke von 200 my und ist absolut glasklar. Verklebt wurde die Folie wie immer mit einem Uhrmacher-Glaskleber https://www.uhrmacher-shop.com. Allerdings ist die Festigkeit der Verklebung auf Polyester nicht berauschend und man muss vorsichtig mit der Verglasung umgehen.
Auch die Beschriftung und Beschilderung erfolgt nach den Praktiken des o.g. Beitrags.
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen:
- Die Fahrwerke des VB 403 bestehen ähnlich wie beim VT 300 aus gefrästen Messing-Drehgestellblöcken.
- Die Drehgestelle des VB 400 und VB 401 habe ich vor langer Zeit bei Herrn Haberditzl erworben (wie wenn ich es gewusst hätte, dass ich diese hier brauche).
- Die Sitze sind jeweils an den Gehäusewänden mit Zweikomponentenkleber verklebt.
- Die Dächer sind momentan nur gesteckt, so dass eine Bestückung mit Fahrgästen noch möglich ist.

Fertigmodelle
Fazit – Herausgekommen ist ein meiner Meinung nach außerordentlich schönes Quartett, wie es zur besten Zeit der Jagsttalbahn über die Gleise schaukelte. Die Mühen haben sich trotz der recht hohen Kosten gelohnt. Ich habe bei diesem Projekt einige Erfahrungen gemacht, welche in weitere Projekte einfließen können. Einziger Wermutstropfen ist die Sichtbarkeit der Schichten des 3D-Drucks . Ich hoffe, dass sich die Technologie und Qualität in der Zukunft noch verbessert.

Thomas Spieth

anschließend wie immer Bilder.








Elektrik








Reinigung

Lackierung






Zusammenbau





















Fertigmodell
























Tom

Angefügte Bilder:
FM 20.JPG  

Armin-Hagen Berberich Offline




Beiträge: 444

22.02.2022 17:07
#9 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

lieber Thomas,

es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, daß ich vollkommen überrascht bin. Nein, ich hatte ja im letzten Jahr immer wieder Bilder und Plots von Dir gesehen und bei Peter habe ich auch schon Abgüsse und seine Frästeile anschauen können. Aber das was Du jetzt als Fertigmodelle vorstellst, das ist eine absolut andere Dimension. Die Fahrzeuge sind nicht nur präzise konstruiert und detailliert, sie sind auch absolut spitzenmäßig gebaut und lackiert. Hut ab, das sind wieder einmal Meisterwerke der Sonderklasse. Ich hoffe, daß ich im Laufe dieses Jahres die Modelle auch einmal im Original betrachten kann. Noch besser wäre, wenn eine Testfahrt damit verbunden ist und die Zwillinge von Peter daneben stehen.

Grüße aus der Plettenberger Lackierwerkstatt in VAI
Armin.,


Martin Offline




Beiträge: 1.070

22.02.2022 17:25
#10 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Thomas,

ich bin begeistert, du hast einen phantastischen Baubericht erstellt.

Vielen Dank dafür !!!

Viele Grüße aus der Hildesheimer Börde

Martin

DelTang-Funkloks,
Wald- und Feldbahnen 0e, 16,5 mm,
Maßstab 1:45


Thomas Spieth Offline




Beiträge: 35

22.02.2022 17:36
#11 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Armin, hallo Martin,

Danke für die Blumen. Vorhin ist mir leider beim Speichern des Beitrags ein Mißgeschick passiert und eine Fehlermeldung ist aufgetreten, daher die vielen Bildreferenzen und doppelten Texte. Sorry für den Fehler.
Ja ich gebe mir Mühe und versuche möglichst nah am Vorbild zu bleiben. Das nächste "Zwischendurchprojekt" ist die 99 715, eine Sächsin. Danach kommt wieder was für die Jagsttaler.

Grüße
Thomas

Tom


Klaus-Dieter Kaufmann Offline




Beiträge: 111

22.02.2022 18:06
#12 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Thomas,

ich bin sprachlos. Toller Modellbau. Schön, daß Du den Bau so schön dokumentiert hast. Da sehe ich so einiges, das ich bei meinem Triebwagen noch berücksichtigen kann. Bitte mehr davon.

Gruß
Klaus

Der frühe Vogel fängt den Wurm, aber die zweite Maus bekommt den Käse!


RS1325 ( gelöscht )
Beiträge:

22.02.2022 18:22
#13 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Meine Güte ! Das nenn' ich mal ein "Projekt" - alles drin, alles dran. Und dezente Nutzungsspuren. Große Klasse !!
Viele Grüße
Roland


Uwe Haas Offline




Beiträge: 69

22.02.2022 19:03
#14 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Beeindruckend schöner Modellbau! Grüsse von Uwe Haas


Peter.R. Offline



Beiträge: 22

22.02.2022 19:11
#15 RE: Die Triebwagen der Jagsttalbahn Antworten

Hallo Thomas.

wunderbare Modelle und gut beschrieben.

Da werden Erinnerungen an die Zeit im schwäbischen wach. Dazu gehörten auch regelmäßige Besuche im Jagsttal. Ach war das schön.

Viele Grüße
Peter


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